Joe Bonamassa

Joe Bonamassa: Still Got The Blues

Der Blues ist tot. Die alten Bluesmen wie B.B. King oder Johnny Lee Hooker jammen mittlerweile – so hoffen wir zumindest – irgendwo im Himmel, und was ihre designierten Nachfolger betrifft:

Nun, die einen zelebrieren als „The World´s Greatest Oldie-Band“ in Fußballstadien ihre eigene Legende, und die Zeiten, in denen Fans „Clapton Is God“ an Häuserwände schmierten, ist auch schon lange vorbei - Gott spielt heute Fahrstuhlmusik. Es ist eine Zeit, in der letztendlich die Marketing-Strategen die Songs bestimmen, stromlinienförmig und streng auf chartstaugliche Massenkompatibilität hin ausgerichtet. Sex, Drugs and Rock ´n´Roll als PR-Gags für die Medien. Kurz: Verdammt schlechte Zeiten für Individualisten mit der Gitarre unter dem Arm. Doch wie schon Mark Twain seinerzeit feststellte: „Die Gerüchte über meinen Tod sind maßlos übertrieben.“ Denn weitab von Glitter und antiseptischen Schlagershows schlug es weiter, das Herz des Blues. Zunächst schwach, nahezu unhörbar. Aber in letzter Zeit immer stärker, und das liegt vor allem an ihm: Joe Bonamassa.Joe Bonamassa

Joe BonamassaWobei das Können des 38jährigen gleichzeitig auch sein großes Handicap ist: Er klingt wie B.B. King (mit dem er als Kind tatsächlich auf der Bühne gestanden hat) persönlich. Oder manchmal auch wie Eric Clapton in seinen allerbesten Zeiten. Von daher erster Impuls: „Was soll ich Joe Bonamassa hören, wenn ich die alten Bluesmen im Plattenschrank stehen habe? Braucht kein Mensch!“ Ein Trugschluss! Denn, sind wir ehrlich: Wer unter 50 besitzt tatsächlich Platten von Albert King, Muddy Waters oder Blues Incorporated? Insofern hat Joe Bonamassa eine ebenso große wie verdienstvolle Aufgabe übernommen: Er trägt den Blues ins 21. Jahrhundert. Für alle, die zu jung sind, um sich an die großen Legenden zu erinnern. Und nicht nur das: Er fügt der langen Geschichte der ursprünglich schwarzen Musik neue Kapitel hinzu. Das nächste schlägt er am 25. März auf – da erscheint sein neues Album „Blues Of Desperation“. Mit Stücken aus diesem Album bestritt er auch den ersten Teil seines Konzertes in Kiel. Produziert wurde das Ganze im legendären RCA Studio A in Nashville, wo einst auch Elvis seine Platten aufnahm. Also „geweihter Boden“ für einen Musiker, der so stark in der Vergangenheit verwurzelt ist? „Großartig war’s”, erzählte Joe Bonamassa dem Journalisten Olaf Neumann, „ich meine, dieser Raum ist wirklich gigantisch. Wir waren dort mit meiner Band inklusive zwei Schlagzeugern und der kompletten Backline – und es war immer noch Platz für neun Flügel und ein Filmteam. Wir hätten dort sogar noch unsere Autos parken können. Kein Wunder, dass der Drumsound auf dem Album so fett geworden ist. Ich liebe es, im Studio laut zu spielen. Leise ist Mist.” Im Studio, wohlgemerkt – auf der Bühne geht es der Gitarrist ruhiger an, daher halten wohl nach wie vor “The Yardbirds” den Dezibel-Rekord. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. 

Und ein gutes Stichwort, denn den zweiten Teil des Konzerts widmete Joe Bonamassa ganz den alten Meistern. Für alle, die damals dabei gewesen sind. Und für die, die sie erst durch ihn kennen gelernt haben. Der Blues ist tot. Es lebe der Blues!

Story: Markus Becker

Fotos: Andreas Bonné

Suche