Filmstars der Welt

Ein fast vergessenes Jahrzehnt 

"Guck mal, was ich an Land gezogen habe. Kannst du daraus irgendwas machen?" Mit diesen Worten hatte mir Andreas einen ganzen Schwung Autogrammkarten zugeschickt, die ich als "ungefähr frühe 50er Jahre" einordnen konnte. Aber damit hörte es auch schon auf, vom Großteil der abgebildeten Stars hatte ich im Leben noch nichts gehört. Was nur zum Teil damit zusammenhängt, dass das lange vor meiner Zeit gewesen ist. Immerhin: Bei zwei Namen stellte sich so etwas wie ein Erinnerungsfetzen ein. Bei Ruth Leuwerik fiel mir sofort meine Oma ein, die an verregneten Sonntagnachmittagen gerne mal den Fernseher einschaltete und damals - Mitte der 60er - wurden öfter Filme aus den 50ern gezeigt. Außerdem war mir besagte Dame in einem Text von Heinz Rudolf Kunze begegnet: "Ein enges deutsches Zimmer unter Adenauers Himmel: Ruth Leuwerik als Titelbild, er spricht mit ihr, er küßt sie wild..." Muss seinerzeit also eine ebenso berühmte wie attraktive Dame gewesen sein. Wobei mir einmal mehr auffiel, dass ich so gut wie nichts über die deutschen Filme der 50er wusste. Oder vielmehr wissen wollte! Denn was ich da so mitgekriegt hatte, war durchweg Edelkitsch der Marke "Der Förster  vom Silberwald" oder "Sissi". Klar, damals, unmittelbar nach dem Krieg, sehnte man sich nach einer heilen Welt - eine kaputte hatte man schließlich vor der Haustür. Und alles natürlich ganz brav und verklemmt... Nee, nicht mein Ding!! Nun - Ruth Leuwerik  war, wie meine Recherche ergab, zumindest an den unsäglichen Heimatfilmen unschuldig. Auf der Leinwand spielte sie vorwiegend längst vergessene Komödien und Historienfilme und erhielt 1954 das Filmband in Silber. Trotzdem war ihr nur vergleichsweise kurze Zeit als Filmstar vergönnt: Was 1950 mit der Komödie "Dreizehn unter einem Hut" begann, war 1963 mit "Das Haus in Montevideo" an der Seite von Heinz Rühmann auch schon wieder so gut wie  beendet. Aber in dieser Zeit war sie ziemlich fleißig und brachte es auf 22 Spielfilme, von denen die rund um die Trapp-Familie sowie das besagte "Haus in Montevideo" heute die wohl noch am ehesten bekannten sind. Im Januar 2016 starb sie im gesegneten Alter von 91 Jahren in München. 

Der zweite Name, zu dem mir etwas einfiel, war Bully Buhlan. Ich sah sofort meine längst verstorbene Tante Elli vor mir, die eine formidable Sammlung von Platten aus den 50er Jahren besessen hatte. Wer jetzt an Rock ´n´ Roll oder Doo-Woop denkt, den muss ich leider enttäuschen: Das spielte sich - wenn überhaupt - in den USA ab und selbst dort beherrschten sorgfältig gescheitelte Schwiegermutterträume namens Bobby oder Johnny die Charts, die für brave, saubere Mädels den Märchenprinzen gaben. Hierzulande spielten Elvis & Co nur eine sehr kleine Rolle, was einerseits daran lag, dass die Schallplattenindustrie die Jugend noch nicht als Kunden erkannt hatte. Kurz: Rock ´n´ Roll gab´s in den Läden nur selten. Andererseits gab´s noch gut gepflegte Vorurteile in Sachen "Hottentottenmusik" - das III. Reich lag noch nicht lange zurück... Also bot man den deutschen Teens schließlich weiße und vergleichsweise brave Stars wie Ted Herold oder Peter Kraus an, die dem Rock ´n´ Roll jeden Sex und jede Rebellion nahmen. Aber der überwiegend größte Teil der deutschen Plattenstars jener Zeit waren Schlager- um nicht zu sagen Schnulzensänger. Wie eben jener Bully Buhlan, der bei mir vor allem wegen seines Namens im Gedächtnis gebieben ist. Wer heißt schon Bully Buhlan? Nicht einmal Bully Buhlan selbst - er war 1924 als Hans-Joachim Buhlan in Berlin zur Welt gekommen. Er startete 1945 als Sänger und Pianist des Radio Berlin Tanzorchesters, produzierte aber ab 1949 auch Soloplatten, zunächst bei Amiga und schließlich bei der Polydor, damals die größte Plattenfirma Deutschlands. Bekannt wurde Buhlan mit "Ich hab mich so an dich gewöhnt" (dürften die älteren Semester heute noch kennen), "Es liegt was in der Luft" und vor allem seine Berlin-Lieder wie "Ich hab noch einen Koffer in Berlin", die ihm bis in die 70er hinein bei jeder TV-Show mit Berlin-Medley einen Auftritt sicherten. Als Plattenstar war er - wie so viele - mit dem Aufkommen der Beatles weg vom Fenster. In den 80ern plante er ein Comeback, das er aber nicht mehr umsetzen konnte - Bully Buhlan starb 1982 an einem Herzinfarkt.

Ihr seht mich jetzt ein bisschen nachdenklich. Zwei Schicksale, ein Haufen Träume und am Ende Vergessen. Ob in 70 Jahren noch jemand weiß, wer Helene Fischer ist?

Text: Markus Becker

Fotos: Autogrammkarten, liegen im Original vor

 

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