Deutscher Radiopreis 2018

Radio Days 2.0

Ich liebe die Filme von Woody Allen. Auch – und vielleicht sogar besonders - „Radio Days“, eine Reminiszenz an eine Zeit, in der es noch kein Internet gab und das Radio für viele Menschen so etwas wie das „Tor zur Welt“ gewesen ist.

Ist das Radio also mittlerweile ein Anachronismus? Teils, teils. Die Zeiten, in denen das Radio Hits und Stars „machte“, scheinen seit den 90ern tatsächlich vorbei zu sein. Selbst ich – mit „Radio Luxemburg“ aufgewachsen – verlasse mich in Sachen Musik inzwischen lieber auf Youtube. Was die Sender zu einem großen Teil auch selbst schuld sind: Wer – sagen wir, von Hamburg nach Köln – fährt und dabei das Autoradio an hat wird feststellen, dass es immer dieselben 30 Platten sind, die gespielt werden. Das wird wahrscheinlich seinen Sinn haben (auch wenn der mir verborgen bleibt), aber wenn ich ehrlich bin, wird auch Dauerbeschallung aus mir nie einen Helene-Fischer-Fan machen und die geballte Ladung Mainstream sorgt dafür, dass man das Ganze irgendwann nicht mehr wahrnimmt. Insofern könnte man meinen, dass Woody Allen Recht hat und die „Radio Days“ tatsächlich vorbei sind.

Aber es gibt zum Glück ja auch noch die Nächte. Dann nimmt Helene Fischer im Radio ihren Schönheitsschlaf und das ist die Zeit, in der die „Radio Days“ wieder erwachen. Da ist dann Zeit für (noch) unbekannte neue Songs und für Platten, die über die Drei-Minuten-Aufmerksamkeitsgrenze hinaus gehen. In diesem Zusammenhang habe ich übrigens auch die ersten Ausschnitte aus dem neuen Album von Lenny Kravitz gehört, was mich nun direkt zum neunten „Deutschen Radiopreis“ führt, der in Hamburg verliehen wurde. Bei dieser Gelegenheit war Lenny Kravitz nämlich (sehr zur Freude der Promi-Ladies von Barbara Schöneberger bis Mareile Höppner) dieses Jahr der Ehrengast. Nun gut, seinem vielbeachteten Hinterteil kann ich persönlich nicht wirklich etwas abgewinnen, aber zum Glück hatte er auch seine Gitarre dabei, und was die anbetrifft gehört er seit ewigen Zeiten zu den Besten. Was bei den Ehrengästen des Radiopreises ja eine gewisse Tradition hat – letztes Jahr war Benny Andersson da und vorletztes Sting, um nur zwei Beispiele zu nennen. Was letztlich auch zeigt, welchen Stellenwert das Radio bei den ganz Großen der Musikbranche nach wie vor besitzt. 

Bleibt noch nachzutragen, dass das Radio für einen „Nachrichtenjunkie“ wie mich sowieso nicht zu ersetzen ist. Keine Lust, mich schon in aller Herrgottsfrühe mit dem Internet zu befassen – Radio an und ich bin informiert, noch bevor der Kaffee fertig ist. Das war irgendwie schon immer so... Und das erscheint mir irgendwo beruhigend in einer Welt, in der „die Lochis“ sowas Ähnliches wie Prominente sind.

Fotos: Andreas Bonné

 

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