Dark Images At Sea

Odysseus in den USA

Eigentlich sollte man meinen, dass sich eine rund 3.000 Jahre alte Geschichte wie die "Odyssee" heute nicht mehr wiederholen kann.

Dank GPS kann man sich selbst mit dem Schlauchboot in der ohnehin recht übersichtlichen Ägais nicht mehr verfahren, einäugige Riesen gibt´s nur noch im Kino und die Sirenen stehen heute in Fußballstadien auf der Bühne und verdienen Millionen. Doch auf irgendeine seltsame Weise scheint es wie verhext, sobald der gute, alte Odysseus ins Spiel kommt... Patrizia Patti

Unsere moderne Odyssee beginnt vor ungefähr zwei Jahren in den USA - Heimat von Buchautor Philip Butera. Und der hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als die "Odyssee" neu zu erzählen. Zeitgemäß und surreal. Gewissermaßen eine Gipfelkonferenz zwischen Homer, William S. Burroughs und Charles Bukowski. Und als sei das noch nicht anspruchsvoll genug, sollte "Dark Images At Sea" - so der Titel des Buches - auch noch noch mit Fotos von Kunstwerken und Models illustriert werden. Das war sozusagen der Moment, in dem Odysseus in See stach, denn Philip Butera hatte sehr genaue Vorstellungen davon, wie die Models für sein Buch aussehen sollten – und die wollte er im Internet finden. Wenn man bedenkt, wie viele Model-Pages es im Internet gibt, dann ist die Tour des Odysseus vor 3.000 Jahren dagegen ein Klacks gewesen. Wir wissen nicht, ob Philip Butera auf der Suche nach den passenden Models auch weiblichen Zyklopen und verzauberten Schweinen begegnete (wundern würde es uns nicht, schließlich gibt es im Internet nichts, was es nicht gibt!), gesichtet wurde er erst wieder, als er in Hamburg vor Anker ging, um Model Patrizia Pati für sein Buch anzuheuern.

Erstmal allgemeine Verwunderung. Denn warum sollte sich jemand, der aus der Heimat der legendären "California Girls" kommt, extra auf die Socken nach Übersee machen, um Models zu suchen? Andererseits ist die schöne Patrizia nun wirklich der Mühe wert... Und auf dem US-Markt vertreten zu sein, ist für ein deutsches Model nun schließlich auch nicht die schlechteste Option (stimmt´s, Heidi??). Das gab den Ausschlag. Und überhaupt - was hatte man schon zu verlieren?Die Antwort auf die letzte Frage war schnell gefunden: Nerven. Denn auf unerklärliche Weise (die Erderwärmung? Kontinentaldrift? Die AfD?) hatten Skylla und Charybdis ihren angestammten Platz in der Ägäis verlassen, lagen jetzt irgendwo im Atlantik und verschlangen massenweise Fotos. Keine Ahnung, wie oft Patrizias Fotos von Winsen, Hamburg oder Köln aus in Richtung USA geschickt wurden, nur um Tage, Wochen, Monate später doch wieder spurlos Patrizia Pattiverschwunden zu sein - irgendwann hört man auf zu zählen. 

Dann kam die Lektoratsphase. Und so, wie Odysseus in vorchristlicher Zeit über die Kykladen hüpfte, so hüpften jetzt die Erscheinungstermine: Aus Sommer wurde Herbst und aus Herbst wurde Winter. Und ein running gag: "Philip schreibt, sein Buch erscheint im Dezember!" - "Keine Details - in welchem Jahr??"

Doch so, wie Odysseus am Ende dann doch wieder nach Hause fand, erschien jetzt im Januar auch endlich "Dark Images At Sea". Womit dann allerdings auch gleich die nächste Odyssee beginnt, denn die Amerikaner für die surreale Version einer 3.000 Jahre alten europäischen Erzählung zu begeistern, dürfte kein allzu leichtes Unterfangen werden. Aber das ist nicht unser Problem. Hier herrscht erstmal eitel Freude. Darüber, dass "Dark Images At Sea" doch noch erschienen ist. Und, sind wir ehrlich: Patrizia in einem Buch zu sehen, das irgendwo zwischen Kunst und Literatur angesiedelt ist, hat was. Zumal Jasmina Sun und Susanne Kreuschmer wirklich grandiose Fotos beigesteuert haben. Was die Texte anbetrifft - nun ja, ich habe noch nicht hineingeschaut. Lyrik, noch dazu in einer Fremdsprache (und womöglich wie das historische Vorbild in Hexametern!?) - da muss ich mich vorher noch etwas sammeln... Aber eine ausführliche Buchbesprechung kommt noch, versprochen. 

Zwischenzeitlich hat Philip Butera schonmal vorsichtig angefragt, ob Patrizia Pati keine Lust hätte, auch bei seinem nächsten Buchprojekt mitzumachen. Hoffentlich wird´s keine neue Version von "Warten auf Godot"...

Story: Markus Becker

Fotos: Patrizia Pati/Susanne Kreuschmer

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