Woodstock-Feeling im Wintergarten

Mit Festival, Hits und Akrobatik wollte genau 50 Jahre später der Berliner Wintergarten an die Aufbruchsstimmung und den rebellischen Geist von Woodstock erinnern. Doch der Beschwörungsversuch blieb weitgehend ohne Spirit.

Genau vor einem halben Jahrhundert fand das weltweit erste Mega-Festival statt – und bis heute ist Woodstock Legende. Die Woodstock Variety Show zeigte am Donnerstagabend, wie die Inspiration durch die Mutter aller Festivals fortwirkte. Es sollte eine Beschwörung werden im Geiste der 400.000 jungen Menschen, die 1969 beseelt vom politischen Widerstand gegen den Vietnam-Krieg und dem Traum von freier Liebe und Geschwisterlichkeit zu "Love Peace and Happiness" auf einem Acker im amerikanischen Bethel zusammenkamen.

Das Publikum im edlen Berliner Varieté-Theater Wintergarten ist jedenfalls voller Erwartung auf die Umsetzung des Acid-getriebenen Hippie-Happenings in zeitgenössische Hochleistungs-Akrobatik. Doch auf den ersten Metern wirkt die dreistündige Woodstock-Show nur wie ein bemühtes Remake. Ihr fehlt der Spirit. Die fünfköpfige Band spult zum Auftakt dröhnend laut Titel von Sly & the Family Stone, Joni Mitchell und Crosby, Stills, Nash & Young ab. Die vier jungen Sänger und Sängerinnen versuchen in historisch bunter Kostümierung, Stimmlage und Blumenkinderposen der Woodstock-Heroen zu treffen. Dazu flimmern Filmschnipsel des fröhlich-friedlichen Massenevents und grausame Kriegsszenen aus Vietnam über zwei die Bühne flankierende Leinwände. Schon das will in dem von Frank Müller konzipierten Abend nicht zusammenpassen.

Akrobatengesetze werden auf den Kopf gestellt.

Vor allem mit der fabelhaften Valérie Inertie. In Fransenweste, Bustier und Cowboystiefeln rockt sie die Bühne am Cyr Wheel. Jenem mannshohen Reifen also, der sonst eine echte Männerdomäne ist. Sexy und selbstbewusst hält Inertie mit eleganter Hochgeschwindigkeit dagegen.

Auch Diego Garcia und Elena Vives stellen gültige Akrobatengesetze auf den Kopf. Beim Quickchange, dem sekundenschnellen Kleidungswechsel, ist noch alles beim Alten. Doch in der Luft an den Strapaten übernimmt sie zum Teil die Führung, hält ihn und sein Gewicht bei den Flugfiguren.

Der charismatische Gitarrist und Sänger Max Buskohl sowie der fantastische Pianist Jez Green steuern mit Tim-Hardin-Songs den elegischen Soundtrack bei. In solchen Momenten gelingt die Transformation von Musik in Akrobatik und die Woodstock-Hommage ist perfekt. 

"Make Love Not War" 

Fotos: Omid Abdi

 

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