Selina Kriechbaum

Das Tor zur Welt

Bei den Miss-Wahlen ist es ein bisschen wie im Fußball: Wenn Frau sich erstmal qualifiziert hat, winken zahlreiche weitere Wettbewerbe im In- und Ausland.

Selina Kriechbaum Nur dass das Ganze dann nicht „Champions League“ oder „Asien-Meisterschaft“ heißt, sondern so wohlklingende Namen wie beispielsweise „Reinado Internacional del Café” hat und an den spannendsten Orten dieser Welt stattfindet, wie jetzt in Kolumbien. Denn, Hand auf´s Herz: Was wissen Sie von Kolumbien? Dass da der Kaffee wächst, klar. Und die nächsten Bilder kommen schon aus dem Kino: Männer mit 70er-Jahre-Pornofilm-Schnäuzer sind – wild um sich schießend – mit riesigen Mengen Kokain unterwegs... “Alles Quatsch” sagt eine, die es wissen muss: Selina Kriechbaum – amtierende “Queen of Europe” - trat kürzlich für Deutschland beim „Reinado Internacional del Café” in Kolumbien an. 

„Diese Miss-Wahl hat dort schon eine ziemlich lange Tradition”, erzählt Selina, „sie wurde nun schon zum 45. Mal veranstaltet. Das läuft dort schon ein bisschen anders als von zuhause gewohnt, nämlich im Rahmen einer Feria, einer Art Volksfest, das die ganze Stadt Manizales feiert. Wir 25 Mädchen aus 25 verschiedenen Ländern waren die Hauptattraktion. Insgesamt waren nur drei Länder aus Europa vertreten: Spanien, Portugal und Deutschland. Ich bin für Deutschland ins Rennen gegangen.“

Nun heißt es ja, dass in Südamerika die Miss-Wahlen einen unglaublichen Stellenwert haben – vergleichbar eigentlich nur mit dem Champions-League-Finale hier in Europa...

„Ja, das stimmt”, bestätigt Selina Kriechbaum, „in Südamerika sind diese Miss-Wahlen unwahrscheinlich angesehen. Sie haben einen ganz  anderen Stellenwert als hier in Deutschland und das merkt man auch! Man muss sich vorstellen, dass die Mädchen dort als Miss unwahrscheinlich viel Geld verdienen, sie sind berühmt und werden wirklich sehr bewundert. Wir hatten sehr große Umzüge, wo wir Missen auf reich dekorierten Wägen standen. 2-3 Stunden ging der Umzug und die Leute waren begeistert. Sie kannten unsere Namen und haben sie über Megaphone gerufen, Geschenke wurden uns auf die Wägen hoch gereicht, wir mussten unfassbar viele Bilder machen und sogar Autogramme geben. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich war außer der Miss aus Portugal die einzige mit blonden Haaren und sehr heller Haut. Die Leute fanden das toll. Da sticht man natürlich total heraus. Einige haben mich auf deutsch begrüßt, andere haben meine Hand halten wollen. Da waren viele Emotionen dabei. Die Menschen sind dort einfach so toll und herzlich.

 Oft standen die Leute vor unserem Hotel und haben darauf gewartet, dass wir rauskommen. Sie wussten immer, wo wir waren. Das Fernsehen hat uns begleitet. Mehrere Sender, Radios und Zeitungen waren den ganzen Tag bei uns. Zahlreiche Interviews uns Fotos, sowie Aufnahmen wurden den ganzen Tag gemacht, die dann auch taggleich im TV ausgestrahlt wurden. Wir haben verschiedene Unternehmungen gemacht und wurden vom Bürgermeister und den Veranstaltern eingeladen. Die Leute wollten sehen, wie uns ihr Land gefällt und ihre Kultur. Deshalb hatten wir auch gigantische Einschaltquoten.“

Wenn man das mentalitätsmäßig doch eher zurückhaltende Deutschland gewohnt ist, muss das doch ein regelrechter „Kulturschock“ gewesen sein, oder? 

„Wir haben sehr sehr viel erlebt. Der schönste Moment war natürlich das Finale! Ich durfte als erste die komplette Show eröffnen, da Deutschland im Spanischen "Alemania" heißt und wir alphabetisch geordnet waren. Das war ein Feeling, das ich nie vergessen werde. Man steht da mit einem 3m-Flügelspannweite Feder-Nationalkostüm in den deutschen Farben, und weiß: "wenn der Vorhang jetzt aufgeht und ich hier oben stehe, sehen mich alle, die Leute im Publikum, die Leute vorm TV und sogar meine ganze Familie!" Die haben die ganze Woche alles von Zuhause aus via Livestream mitverfolgt. Es lastet soviel Druck auf einem, die ganze Woche harte Arbeit, kurze Nächte, anstrengende Tage und plötzlich geht’s los. Dann stand ich bereits oben auf der Bühne, mein Kostüm wurde gerichtet, die Frisur überprüft und der Vorhang war noch zu. Und als dieser sich öffnete, hatte ich einen absoluten Gänsehautmoment. Das war der absolute Wahnsinn!“Selina Kriechbaum

Trotzdem hatte Selina Kriechbaum während ihres Kolumbien-Aufenthalts einen persönlichen Wachmann an ihrer Seite. Ein Glückspilz mit einem absoluten Traumjob oder doch eine Notwendigkeit in einem Land, das für seine innere Sicherheit eher berüchtigt als berühmt ist?

„Der persönliche Offizier war primär für unsere Sicherheit da. Aber nicht wegen der Kriminalität, sondern wegen der Fans”, erzählt Selina, “wir waren dort wirklich "Stars". Hätten wir diesen nicht gehabt, wären wir kaum von A nach B gekommen, da die Leute wirklich verrückt nach uns waren!  Aber wir haben ihn auch bei Ausflügen gebraucht. Wir waren schließlich den ganzen Tag in High Heels unterwegs und deshalb haben wir ab und zu mal eine stützende Hand benötigt, wenn wir zum Beispiel über die Kaffeeplantagen gelaufen sind.” Okay – also doch eher ein Glückspilz...

Inzwischen hat der deutsche Alltag Selina wieder. Sicherlich eine Umstellung, nicht nur, was das Wetter betrifft! Wie geht´s jetzt also weiter...?

„Beruflich steht jetzt meine Ausbildung an. Im Herbst habe ich meine Abschlussprüfung. Aber das bringt mich natürlich nicht vom Modeln ab. Im Sommer plane ich die Berlin Fashion Week in meinem Kalender ein. Zur Zeit wird auch wegen einer Veranstaltung in Paris verhandelt. Shanty Couture möchte mich dort gerne mit ihrer Mode laufen sehen. Auch Charity-Veranstaltungen bleiben nicht auf der Strecke. Aber da steht demnächst noch etwas ganz Großes an. Ich werde nämlich die Seite von der Miss zur Organisatorin wechseln und im Rahmen einer Fashion Show mit zwei super Kollegen unsere erste Misswahl veranstalten. Dazu kann ich aber noch nichts Genaueres verraten...“

Kurz: Alles vielleicht ein bisschen geschäftsmäßiger als bei den euphorischen Kolumbianern, aber eines gilt auf jeden Fall für den Titel der „Queen of Europe“: Er ist ein Tor zur Welt.

Story: Markus Becker

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