Der Junge von St. Pauli
„Wir spielten schon als Kinder Kapitän und Steuermann, die Elbe bei St. Pauli war unser Ozean...“ - so hieß es 1970 bei Freddy Quinn. Damals mag das mit der Matrosen-Romantik vielleicht noch gepasst haben. Gut 45 Jahre später ist von dieser Romantik nichts mehr übrig.
Gut, der Kiez war noch nie Hamburgs gute Stube, doch heute bedeutet ein „Junge von St. Pauli“ zu sein eine Kindheit zwischen Junggesellenabschieden, Sex-Shops und Kriminalität. Kein Ort, wo man seine Kinder gerne aufwachsen sieht, und wer es sich leisten kann, zieht beizeiten weg. Übrig bleiben Armut, bildungsferne Elternhäuser und Migrantenfamilien. Kurz: Der „Junge von St. Pauli“ lebt heute fernab von jeder Romantik in einem sozialen Brennpunkt. Die Stadtteilschule im Hafen von St. Pauli sorgt mit ihrer Schulküche dafür, dass jedes Kind regelmäßig einmal am Tag ein warmes, gesundes Essen bekommt – was in den Elternhäusern durchaus nicht immer selbstverständlich ist. Doch rund 35.000 Portionen für 460 Kinder im Jahr sind ein beachtlicher Kostenfaktor. Es fehlt Geld, die Schließung der Schulküche droht.Jedenfalls bis heute!
Denn die Mercedes-Benz Niederlassung in Hamburg half nun schnell und unbürokratisch mit einer Sofort-Spende von 8.000 Euro. Damit ist das Schulessen für dieses Schuljahr erst einmal gesichert. Doch dabei soll es nicht bleiben: „Wir werden die Schulküche der Stadtteilschule in St. Pauli auch in den nächsten zwei Jahren mit jeweils 8.000 Euro unterstützen“, sagt Kerstin Otero Molanes, Leiterin Marketing und Kommunikation der Mercedes-Benz Niederlassung Hamburg. „Insgesamt spenden wir 24.000 Euro, um das Mittagessen langfristig zu gewährleisten. Hier geht es um weit mehr,als nur einen wichtigen Teil gesunder Ernährung. Das gemeinsame Mittagessen ist ein bedeutender Integrationsfaktor. Hier wird sozialer Zusammenhalt unter den Kindern und in den Klassen gefördert, Kinder aus Migrantenfamilien lernen die hiesige Tischkultur. Mit der finanziellen Unterstützung der Schulküche übernimmt die Mercedes Benz Niederlassung langfristig und konkret soziale Verantwortung in einem Brennpunktstadtteil.“
Und es geht auch um weitaus mehr als „nur“ finanzielle Unterstützung, wie die Stiftung Kinderjahre – der Partner der Mercedes-Bens Niederlassung Hamburg bei dieser Aktion – betont: „Die Mahlzeiten werden täglich von zwei Hauswirtschafterinnen zusammen mit einer Gruppe Schülerinnen und Schüler, der sogenannten ‚Ess-Klasse‘, vor- und zubereitet“, erläutert Hannelore Lay, Vorsitzende der Stiftung Kinderjahre, die deutschlandweite Vorzeigerolle des Projektes. 20 Kinder der Klassen 5 bis 10 gehen den Profis im Schulalltag zur Hand und lernen dabei eine Menge über Küche und Kochen. Sie schnibbeln Gemüse, schälen Kartoffeln, kochen Suppen oder bereiten Aufläufe und Salate zu.Da gilt nun wirklich der alte Spruch „nicht für die Schule – für das Leben lernen wir!“ Und das ist der zweite ganz zentrale Punkt. "Die Sehnsucht trieb ihn weiter, er glaubte an sein Glück, doch es führten alle Wege nach St. Pauli zurück", heißt es bei Freddy Quinn. Hoffen wir, dass er sich da geirrt hat.
Story: Markus Becker
Fotos: Patrick Becher