Sandra Quadflieg: "Ich möchte das Publikum berühren!"
Glaubt man dem Durchschnittsbürger, dann ist Schauspieler - genauso wie Schlagersänger - der coolste Job der Welt: Man arbeitet ein paar Wochen, kassiert dafür ´ne Million und verbringt den Rest der Zeit auf roten Teppichen und damit, die Seiten der Klatschpresse zu füllen.
Nun ja - der Durchschnittsbürger war auch ´mal fest davon überzeugt, die Erde sei eine Scheibe... Also besser nochmal nachfragen. Haben wir getan:
Sandra Quadflieg hat so gar nichts von dem, was man bei einer Schauspielerin eigentlich erwartet: Keine Starallüren und auch keinen aufgeregten Manager, der auf wichtig macht. Soviel zum Klischee! Obwohl es so einiges gibt, worauf sie sich etwas einbilden könnte. Darauf, dass sie nicht nur Schauspielerin ist, sondern bei vielen Produktionen auch die Regie führt, zum Beispiel. Oder dass sie bei der "Fledermaus" - bekanntlich eine Operette - singender Weise die Hauptrolle spielte. Kann auch nicht jeder, man denke nur an Pierce "Kermit" Brosnan in "Mamma Mia". Dazu zahlreiche TV-Rollen, Kinofilme und immer wieder die Bühne. Von wegen "easy livin´" - das klingt nach einer ganzen Menge Arbeit, und ein Nine-To-Five-Job ist das sicherlich auch nicht...
"Ich wollte nie etwas anderes werden als eine Schauspielerin. Nicht wegen des roten Teppichs, sondern weil ich gerne das Publikum berühren möchte", sagt Sandra Quadflieg über ihre Berufswahl, "ich bin der Meinung, dass gerade dieser Beruf eine Berufung ist, zu der aber natürlich auch ein fundiertes Handwerk gehört. Deshalb habe ich auch eine Schauspielausbildung absolviert. Aber man sollte niemals aufhören, an sich zu arbeiten. Aus diesem Grund versuche ich, mein Können zu perfektionieren. Ich studiere leidenschaftlich gern Menschen und ihr Verhalten in bestimmten Situationen, um Gestik und Mimik bei Bedarf abrufen zu können. Für mich ist es wichtig, dass ich im Spiel an meine Grenzen gehe, um mich immer weiter zu entwickeln. Auch die Arbeit mit Otto Sander war für mich sehr prägend, weil ich sehr viel lernen konnte."
Tja, die Welt des Theaters! Inzwischen, wie man weiß, längst kein Paradies mehr - dafür sorgen schon sinkende oder sogar ganz gestrichene Kulturetats...
"Das gilt nicht nur für das Theater, sondern auch für den Film. Schließlich bekommt nicht jeder Film eine Filmförderung", sagt Sandra Quadflieg, "dass die Kulturetats nicht ausreichen, ist natürlich ein ganz ernstes Thema. Deutschland ist für Goethe und Schiller bekannt und meiner Meinung nach muss die Kultur und müssen auch wir Schauspieler unbedingt mehr gefördert werden. Deshalb unterhalte ich mich auch immer gerne mit Politikern über dieses Thema. Denn es besteht hier dringend Handlungsbedarf. Sehr wichtige Arbeit leistet hier der BFFS (Bundesverband Schauspiel - Bühne I Film I Fernsehen I Sprache), bei dem auch ich Mitglied bin."
War also nichts mit "einer Million für drei Monate Arbeit", Deutschland ist wohl doch nicht Hollywood. Doch einmal davon ganz abgesehen - wenn die Zahl der Theaterproduktionen eher rückläufig ist, wird es logischerweise auch schwieriger, Engagements zu bekommen. Bleibt das Fernsehen als weitere Möglichkeit. Macht man das als klassische Bühnenschauspielerin gerne oder sind das eher ungeliebte Jobs?
"Ich liebe beides, weil es sehr unterschiedlich ist und handwerklich eine ganz andere Arbeitsweise erfordert. Im Theater spielt man seine Rolle vom Anfang des Stückes bis zum Ende durch und darf die Entwicklung dieses Charakters in einem "durchleben". Und erntet dazu noch die direkte Resonanz des Publikums. Das ist schon sehr besonders!
Vor der Kamera liebe ich dagegen das feine Spiel sehr. Jeder Augenaufschlag, jede noch so feine Mimik bekommt eine Bedeutung. Krönend hinzu kommt, dass Film- und Fernseh-Produktionen ein großes Publikum erreichen. Theater und Film haben daher ganz unterschiedliche Vorzüge, die für mich gleichermaßen reizvoll sind. Ich fühle mich sowohl vor der Kamera als auch auf der Bühne zu Hause. Daher möchte ich mich zwischen beidem nie entscheiden müssen."
Aber selbst bei einer erfolgreichen Bühnen- und Filmschauspielerin folgt ja nicht Rollenangebot auf Rollenangebot. Angestellte bekommen dann Arbeitslosengeld. Aber was tut man als Schauspieler, wenn es zwischen zwei Engagements eine größere Lücke gibt?
"Ich arbeite als Sprecherin. Sowohl für Hörspielproduktionen wie beispielsweise Die drei Fragezeichen oder Hanni & Nanni, aber auch als Synchronsprecherin", verrät Sandra, "gerade habe ich auch die Luise in der neuen Hanni & Nanni und der Reiterhof Folge gesprochen. Ich selbst bin mit Hörspielen aufgewachsen und es ist für mich etwas ganz Besonderes heute mit meinen "Helden aus der Kindheit" selbst im Studio zu sitzen."
Und was steht als Nächstes auf dem Programm?
"Im April werde ich den Film Absorption abdrehen, in dem ich die Hauptrolle Evelin Kasakow spiele. Das Besondere an diesem Film ist, dass er in den 60er Jahren spielt und dass wir in englischer Sprache drehen. Sehr gespannt bin ich auch auf die Dreharbeiten zu Silke will das Mahnmahl nicht. Ausgangspunkt zur Idee ist ein unverfilmtes Drehbuch von Christoph Schlingensief. Ich glaube, dass wir dort künstlerisch alle Register bedienen werden. Außerdem wird in diesem Jahr u.a. der Film Einsam zu Zweit zu sehen sein, in dem ich in die Rolle einer Alkoholabhängigen schlüpfen durfte, die Selbstmordgedanken hegt. Und auch eine Mendelssohn-Lesung steht dieses Jahr noch an."
Aber ein Klischee muss jetzt ja doch noch Bestand haben. Nämlich die Sache mit dem roten Teppich, auf dem Schauspielerinnen ihre Freizeit verbringen. Oder?? Was macht Sandra also, wenn sie frei hat?
"Ich bin ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Benita Quadflieg Stiftung. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zur Namensgeberin, daher ist es mir sehr wichtig, dass ihre Gedanken und ihr Bestreben weitergeführt werden. Die Stiftung fördert das Haus Mignon, das Benita Quadflieg 1975 gründete. Zurzeit werden dort 250 Kinder betreut. Aktuell haben wir drei Projekte für die wir dringend auf Sponsoren angewiesen sind: Das Kinderhaus Mignon, in dem Kinder mit frühkindlichen Traumata wohnen, die nicht mehr bei ihren Eltern leben können, das Traditionssegelschiff Fortuna auf dem Integrationsfahrten mit Kindern mit Behinderung oder chronischen Krankheiten angeboten werden und die Musiktherapie für Neu- und Frühgeborene in Kooperation mit dem UKE. Ich freue mich über jeden Förderer, der Kontakt zu uns oder mir aufnimmt."
Keine Millionärin, keine Starallüren, kein Leben auf dem roten Teppich und noch nicht einmal Klatschpresse. Sandra Quadflieg hat alle meine Vorstellungen in postiver Weise über den Haufen geworfen. Aber schließlich ist die Erde ja auch keine Scheibe...
Story/Interview: Markus Becker
Fotos: Christian Grundey, Vivian Planthaber sowie Filmfotos
Danke an Christine Last, die mir in unzähligen Gesprächen die Welt des Theaters und der Schauspielerei näher gebracht hat.