„…having the time of your life.“

Meine erste Begegnung mit ABBA – die damals noch als Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid auftraten – war eine Art „Fake“. Denn statt Agnetha stand in Ilja Richters „Disco“ vom 6. Januar 1973 Fridas Freundin Inger Brundin auf der Bühne –

die echte Agnetha war wegen ihrer Schwangerschaft in Stockholm geblieben… Was übrigens damals keinem Menschen auffiel.

Die zweite Begegnung brachte mir dann eine meiner ersten selbstgekauften Singles ein: „Waterloo“ begleitete mich durch den Sommer ´74, wurde aber dann irgendwann in meiner Gunst von „Can The Can“ und „48 Crash“ von Suzi Quatros erstem Album verdrängt. Klar, es kam nichts nach – jedenfalls nichts, was bis zu mir durchdrang. Das änderte sich erst wieder 1975 mit „S.O.S.“. Was nur zum Teil am Song selbst lag – auch das Outfit von Agnetha und Frida trug seinen Teil dazu bei: Die beiden ABBA-Mädels trugen so ultrakurze Minikleider, dass das gute, alte ZDF sich genötigt sah, für den Fernsehauftritt auf lange Röcke zu bestehen. Doch meine echte „Einstiegsdroge“ war das Album „Arrival“ von 1976. Vor allem ein Song hatte es mir angetan: Am 4. August 1975 hatten Björn und Benny ihre Sessionband im Stockholmer Metronome-Studio zusammengetrommelt, um ein Songfragment namens „Boogaloo“ einzuspielen. Die Aufnahmen – so wird berichtet – verliefen eher zähflüssig, aber am Ende stand der wohl perfekteste Popsong aller Zeiten: „Boogaloo“ – inzwischen in „Dancing Queen“ umgetauft – wurde in dreizehn Ländern (darunter in den USA) Nummer 1. Aber auch neben „Dancing Queen“ bietet „Arrival“ eine ganze Reihe erstklassiger Songs und zählt (trotz riesiger Plattensammlung) bis heute zu meinen absoluten Lieblingsalben. Aber auch sonst hinterließ „Arrival“ Spuren: Ich verliebte mich unsterblich in Frida. Dass ich Teenager war und Frida Anfang 30 war mir egal – in Kleinigkeiten war ich schon immer großzügig. Was ich damals jedoch nicht ahnte war, wie „unsterblich“ das tatsächlich werden sollte – aber der Reihe nach.

Erst einmal kam das Jahr 1978. Unser Kleinstadt-Kino bot damals Musikfilme satt: „Saturday Night Fever“. „Grease“. Und natürlich „ABBA – The Movie“. Ich weiß noch, wie ich meine damalige Freundin bearbeitet habe, mit mir in den ABBA-Film zu gehen. Zwecklos! Denn sie war Hardcore-Smokie-Fan, und damals, in den 70ern, war das eine Glaubensfrage: Man konnte nicht Smokie-Fan sein und gleichzeitig ABBA gut finden. (Was ein Mädel, das total auf Chris Norman stand, dann an mir gefunden hat, ist mir selbst jetzt – rund 40 Jahre später – ein Rätsel!) Also ging ich alleine ins „UT“. Was mir gar nicht so unlieb war, denn so hatte ich gewissermaßen ein ungestörtes „Date“ mit Frida, und wenn´s nur auf der Leinwand war. Worüber ich nie ein Wort verlor. Nicht nur, weil mir im Grunde meines Teenagerherzens klar war, dass Frida völlig unerreichbar war – wenn schon, dann schwärmte man 1978 für Agnetha und ihren angeblich heißesten Po der Welt. Aber Agnetha war einfach nicht mein Typ…

Das nächste Album – „Voulez Vous“ – ging wieder ein bisschen an mir vorbei. Was daran lag, dass in der Zwischenzeit jede Menge aufregender neuer Musik aus den USA bis zu uns in die Provinz gelangt war. Platten wie „Relight My Fire“ von Dan Hartman oder die Musik von „Blondie“ mit der ultracoolen Debbie Harry brachte regelmäßig das Jugendheim an der Kirche zum Kochen, der eher brave europäische Discosound von ABBA ging daneben etwas unter.

Aber dann. Dann!! „Super Trouper“ mit „The Winner Takes It All“. Gäbe es nicht “Dancing Queen”, wäre “The Winner Takes It All” mein absoluter Top-Favorit für die beste Pop-Single aller Zeiten. Und natürlich „The Day Before You Came“. ABBA war wieder da. Und wie! Ursprünglich hatte das Plattencover für „Super Trouper“ übrigens auf dem Picadilly Circus fotografiert werden sollen, was aber an der Londoner Stadtverwaltung scheiterte. Also fotografierte man im Studio mit vielen Freunden eine Szenerie irgendwo zwischen Circus und Aftershow-Party.

Als im Dezember 1981 „The Visitors“ erschien, ahnte noch niemand, dass das der „Schwanengesang“ für ABBA werden würde – nicht einmal die Gruppe selbst. Noch 1982 wurde im offiziellen Pressetext zu Fridas Solo-LP „Something´s Going On“ für 1983 ein neues ABBA-Album angekündigt… Damit könnte die Geschichte zu Ende sein. Ist sie aber nicht!  Machen wir also einen Zeitsprung…

Wir schreiben das Jahr 2006 und ich sitze auf den Trümmern meiner Ehe. Da die Gegenwart für mich absolut unerträglich war und die Zukunft bestenfalls eine Utopie, flüchtete ich mich in die Vergangenheit und damit in alte Songs: „Die Welt war besser, als es ABBA noch gab!“ Und genauso wie damals war es Frida, die mich berührte: Ihr „Something´s Going On“-Album war der Soundtrack zu meinem Scheidungs-Blues. Da war eine Frau, die das Gleiche erlebt hatte wie ich, was irgendwo tröstlich war. Tja, Frida… Damals hätte ich meine fünfzehnjährige Seele für ein Treffen oder ein Autogramm von ihr verkauft. Hatte (zum Glück für meine Seele!) natürlich nie geklappt. Aber halt! Was ein fünfzehnjähriger Schüler nicht geschafft hatte, würde vielleicht ein über 40jähriger Journalist hinkriegen! Und selbst wenn nicht: Die Recherche würde mich wenigstens eine Zeitlang von meinem Elend ablenken.

Es folgte eine mehrwöchige Schnitzeljagd. Stockholm (klar!), London, Spanien – an Hinweisen mangelte es nicht, aber jede dieser Spuren verlief irgendwann im Sand. Irgendwann mehrten sich die Anzeichen, dass die Schweiz, genauer gesagt Zermatt, eine heiße Spur sein könnte. Aber selbst wenn das stimmte – wie sollte ich Frida in Zermatt finden? Es war nicht anzunehmen, dass sie im Telefonbuch stand… Es war also wieder wochenlange Kleinarbeit angesagt, bis es mir schließlich gelang, einen privaten Freund von Frida ausfindig zu machen, der sich tatsächlich bereit erklärte, einen Kontakt herzustellen (danke, Urs!!).

Und so bekam ich mit 30 Jahren Verspätung doch noch mein Frida-Autogramm. Wie lustig es dabei zuging, zeigt Fridas handschriftlicher Hinweis auf den „großen Künstler“ Heinz Julen… ;-) Wenig später führte eine Tournee mit dem inzwischen verstorbenen Jon Lord Frida übrigens auch nach Deutschland. Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

Text: Markus Becker

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