Als Schlagersänger ist man das Letzte!“

Gerade war wieder „Schlagermove“ in Hamburg… Wie immer eine Riesenparty mit viel „Hossa“ und den üblichen Verdächtigen wie Costa Cordalis, Ireen Sheer und dem unvermeidlichen Heino. Partylaune für eine Generation, die viel zu jung ist,

um in den frühen 70ern, dem vermeintlich „goldenen Zeitalter des Schlagers“, tatsächlich dabei gewesen zu sein. Schauen wir also einmal zurück in die „wilden 70er“! Der „Urknall“ für die deutsche Schlagerszene war der 18. Januar 1969 um 18 Uhr 50: Aus den Studios der Berliner Unionfilm sendete das ZDF die erste Folge der „Hitparade“ mit Dieter „Thomas“ Heck. Ein cleverer Schachzug. Denn nach den Studentenrevolten des Sommers ´68 – als deren Ursache oft der Einfluss der britischen und amerikanischen Rock- und Popmusik herangezogen wurde – sehnte sich zumindest der ältere und konservativere Teil der Bevölkerung wieder nach deutschen Klängen. Trotzdem war den Programmverantwortlichen in Mainz klar, dass der Weg nicht zurück in die 50er Jahre führen konnte. Also setzte man auf einen bekannten Moderator – der frühere Autoverkäufer Dieter „Thomas“ Heck hatte bereits sehr erfolgreich Radiosendungen moderiert – und flottere Melodien. Wobei die besagten „flotten Melodien“ oft nichts anderes waren als deutschsprachige Coverversionen britischer und amerikanischer Hits – als Beispiel sei hier nur Howard Carpendale genannt, der mit der deutschen Version von „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ 1969 einen seiner ersten Erfolge landete. Und nicht immer waren die deutschen Erfolge so unbedingt freiwillig – ein gewisser Gerhard Höllerich hätte zum Beispiel sehr viel lieber Rock ´n´ Roll gemacht, stattdessen sang er nun auf Geheiß von Management und Plattenfirma als Roy Black Schnulzen wie „Du bist nicht allein“ oder „Ganz in Weiß“. Und genau das war das Problem: Man verstand – im Gegensatz zu den englischsprachigen Songs – die Texte! Was dazu führte, dass romantische Teenager und ältere Erwachsene zwar die heile Welt liebten, die ihnen da vorgegaukelt wurde und die Platten verkauften sich dementsprechend gut, aber der überwiegende Teil des Publikums nahm das Ganze nicht sonderlich ernst. Der Künstlername „Roy Black“ wurde ziemlich respektlos mit „Negerkönig“ (vom französischen „le roi“ = König und dem englischen black = schwarz abgeleitet) übersetzt, die Texte wurden verballhornt („Theo, ich glaub´ ich kotz“ statt „Theo, wir fahr´n nach Lodz“ oder „Ein Korn im Feldbett“ statt „Ein Bett im Kornfeld“ und vieles mehr). Oder, wie Chris Roberts es 1975 ausdrückte: „Als Schlagersänger ist man in Deutschland das Letzte!“ Die Arroganz einer Zeit, in der gute Musik an der Tagesordnung war, denn unter den damals vielgeschmähten Schlagern gab es durchaus Perlen: Der Text von Maffays „Und es war Sommer“ zum Beispiel. Und „Apres Toi“ von Vicky Leandros, das in der deutschen Version „Dann kamst Du“ leider etwas an Eleganz verlor. Oder die Hits von Marianne Rosenberg, die in Sachen Melodie und Arrangement durchaus internationales Format hatten. Und manchmal führte diese Einstellung dem deutschen Schlager gegenüber auch zu Tragödien. 1972 erschien die Single „Fiesta Mexicana“ – gegen den Willen von Rex Gildo, der keinen Sinn darin sah, völlig grundlos immer wieder „Hossa! Hossa!“ rufen zu müssen. Und ausgerechnet „Fiesta Mexicana“ wurde zu einem Megahit, den er jahrzehntelang nicht mehr los wurde – was letztendlich dazu führte, dass Rex Gildo Selbstmord beging, weil das Publikum nur noch „Hossa! Hossa!“ hören wollte und eine Weiterentwicklung damit unmöglich war. Letztendlich währte die „Blütezeit des deutschen Schlagers“ nur knappe fünf Jahre, ab Mitte der 70er und mit der aufkommenden Discowelle verloren deutschsprachige Produktionen zunehmend an Bedeutung. Mit NDW, der „Neuen Deutschen Welle“, gab es Anfang der 80er Jahre noch mal ein kurzes Aufflackern der deutschen Sprache in den Charts, aber mit echten Schlagern hatte das nicht mehr viel zu tun – daran konnte auch die „ZDF Hitparade“ nichts mehr ändern…

Text: Markus Becker

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